Penthouse Hamburg

Die Hamburger Interiordesignerin Emma Brunckhorst drehte ihr Dachgeschoss in einem Hamburger Altbau um 180 Grad – und stellte alle Regeln auf den Kopf. Besuch in einem Raumkontinuum aus Licht und Transparenz.

Nach Hamburg zog die Münchnerin der Liebe wegen. Sich im hohen Norden einzuleben, fiel Emma Brunckhorst nicht schwer. „Vielleicht liegt es am Wetter“, sagt die Mutter einer 14 Monate alten Tochter, „aber in Hamburg spürt man eine Verbindung zu England, Schottland und Skandinavien. Die Menschen hier haben ein ausgeprägtes Gespür für angenehme Stoffe, für ausgefallene Tapeten.“ Vor vier Jahren gründete sie Emma B Home, ein Büro für Interiordesign. Nun stand Emma Brunckhorst vor einer besonderen Aufgabe: der Einrichtung ihrer eigenen Wohnung.

Einen schönen Blick über Hamburg haben Sie – wo genau sind wir da?

In Rotherbaum, das ist der Stadtteil, der zwischen Eimsbüttel und der Alster liegt. Hier gibt es noch viele alte denkmalgeschützte Stadthäuser – und in eines davon sind wir vor einem Jahr eingezogen, ins Dachgeschoss.

 

Wie haben Sie die Wohnung gefunden?

Da war schon ein bisschen Glück dabei. Ich muss dazusagen, sie gehört uns nicht, aber wir kennen die Eigentümer. Als die dieses Penthouse kaufen wollten, hatten sie mich gefragt, ob ich sie nicht beim Umbau beraten könne. Irgendwann meinten sie, wir könnten dort doch auch selbst einziehen.

 

In welchem Zustand befand sich das Apartment, als Sie mit dem Umbau begannen?

Es stammt aus den Siebzigerjahren und wirkte auf mich irgendwie düster, verhutzelt und kleinteilig. Außerdem waren die Decken abgehängt, was wirklich schräg aussah.

 

Was haben Sie daran alles geändert?

Eine Menge, es fing damit an, dass wir den Grundriss einmal um 180 Grad gedreht haben. Unsere Schlafzimmer liegen nun vorne, zur Straße hin. Und auf der Hofseite, wo sich heute die Küche und das Wohnzimmer befinden, waren früher vier kleine Zimmer.

Vor kurzem hörte ich von einem Architekten, der mehr als 40 Modelle anfertigte, bevor er anfing, sein eigenes Haus zu bauen, weil er sich so unter Druck gesetzt hatte. Wie war das bei Ihnen?

In die Lage kann ich mich gut hineinversetzen – bei sich selbst will man natürlich alles absolut perfekt machen. Und in unserem Fall kommt erschwerend hinzu, dass mein Mann ohnehin mein schwierigster Kunde ist (lacht). Nein, mal im Ernst: Ich versuche natürlich in jedem Projekt, die Wünsche und Vorstellungen aller Beteiligten einzubeziehen. Wenn da dann die eigenen hinzukommen, macht es die Sache schon noch schwerer.

 

Dann haben Sie also viel diskutiert?

Ja, eine Menge. Das Schöne ist aber, dass aus solchen Diskussionen immer auch etwas Neues entsteht. Ich bin in meinem Stil eher eklektisch, mein Mann hat einen eher klassischen, ruhigen Geschmack. Aber dabei kann, wie sich zeigt, eine ganz schöne Mischung herauskommen.

 

Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet?

Insgesamt ungefähr zwei Jahre, aber ich habe auch jetzt noch jeden Tag neue Ideen, wie ich die Wohnung wieder total umgestalten könnte.

 

Auffallend in Ihrem Penthouse ist die gute Mischung aus offenen, durchlässigen Räumen und solchen, die eher intim und in sich geschlossen wirken …

Farben spielen dabei eine große Rolle, das Grün am Eingang oder das Weinrot einer Wand im Wohnzimmer verleihen dem Interieur visuell Stabilität und Geschlossenheit. Was das Durchlässige, Offene betrifft, da hat das große Fenster zur Terrasse hin sehr geholfen. Dafür haben wir mit dem Schweizer Hersteller Sky-Frame zusammengearbeitet und eine Lösung gefunden, das Fenster praktisch rahmenlos in die Architektur zu integrieren. Das war wichtig bei der Entscheidung, Küche, Essbereich und Wohnzimmer ineinander übergehen zu lassen, zu einem einzigen Raum zu machen und dort die langen Dielen verlegen zu lassen. Ohne das Fenster und den Zugang zur Terrasse hätten wir das wahrscheinlich eher nicht getan.

Welche Kunstgriffe haben Sie sonst noch angewendet, um diese Dualität aus Offenheit und Geborgenheit zu erreichen?

Zum Beispiel gibt es dort, wo die Sofas stehen, eine Stelle, an der die Decke besonders niedrig ist. Weil ich das nicht ändern konnte, habe ich es erst recht betont, in dem ich drei Leuchten aufgehängt habe. Oder nehmen Sie die Sitzbank, an deren Rückseite die Barhocker stehen. Sie trennt die Küche vom Essbereich, stellt aber auch eine Verbindung zwischen beiden her. So schafft man Räume im Raum. Wenn man mehrere davon hat, kann das ein Interior schnell angenehm wohnlich machen.

 

Wie war das mit den Möbeln? Haben Sie die für diese Wohnung alle neu gekauft oder auch welche mitgebracht?

Teils, teils. Die Sideboard aus Palisander im Flur ist ein Stück, das wir schon hatten. Den Spiegel darüber habe ich einmal aus vielen einzelnen Spiegeln vom Flohmarkt zu einer Art Mosaik zusammengesetzt. Auch die weißen Sessel vor dem Fenster sind alt, sie sind nur neu bezogen mit einem Bouclet-Stoff von Pierre Frey. Anderes ist komplett neu, so wollte ich auf keinen Fall ein L-förmiges Sofa, deswegen haben wir jetzt ein großes U. Und die Bank am Esstisch, von der schon die Rede war, ist eine Massanfertigung.

 

Wie groß ist die Wohnung eigentlich im Ganzen?

Ungefähr 240 Quadratmeter. Je nachdem, ob man das kleine Büro hinter der Tapetentür im Wohnzimmer mitzählt, sind es fünf oder sechs Zimmer auf einer Etage.

Ihr bisheriger Lebensweg war nicht unbedingt das, was man linear nennt. Sie haben in München Phonetik und Sprachwissenschaften studiert, für eine Kunstmesse gearbeitet, danach gingen Sie zu einer Unternehmensberatung. Wie sind Sie zum Interiordesign gekommen?

Das stimmt, ich habe mal etwas ganz anderes studiert (lacht). Aber ich hatte schon immer ein Interesse an Formen und Farben. Und an Psychologie, die man ja auch braucht, wenn man sich in andere Menschen hineinversetzen möchte, deren Wohnungen man gestalten soll. Außerdem komme ich aus einer Familie, die sehr kunstinteressiert und designaffin ist. Ich bin in einem kreativen Haushalt aufgewachsen, meine Eltern sind Schauspieler, und mein Großvater, Peter Raacke, war selbst Designer.

 

Der Erfinder des Mono-Bestecks – ein Klassiker in deutschen Haushalten! Und an welchen Projekten arbeiten Sie im Moment?

Gerade fertig geworden bin ich mit einer schönen 300-Quadratmeter-Wohnung hier ganz in der Nähe. Dann ist da noch ein wunderschönes Ferienhaus bei Husum, mit echtem Reetdach. Das finde ich sehr spannend, weil es in Richtung eines modernisierten altenglischen Countryhouse-Styles geht. Und ich sitze an einer Wohnung in einem klassischen Hamburger Altbau, die sich über zwei Etagen erstreckt und viereinhalb Meter hohen Decken hat. Da läuft die Gestaltung schon parallel zur Kernsanierung, so wie es auch hier war. Mehr Möglichkeiten hat man nur selten – eigentlich ein Idealfall!