Haus am Rohrdorferberg

Bauland ist in der Schweiz knapp. Bauwillige müssen oft lange nach einer Parzelle suchen. Das kann ein Nachteil sein, muss es aber nicht, denn vielleicht bekommen so Grundstücke eine Chance, an die man zuvor gar nicht gedacht hat. Letzteres trifft auf die Eigentümer dieses Hauses im Aargau zu. Sie suchten einen geeigneten Bauplatz in einer ganz bestimmten Gemeinde, konnten aber nichts Passendes finden. Auf Anraten eines guten Freundes wandten sie sich an Endres Architekten in Baden. Und tatsächlich konnten Thomas Endres und Steffen Jesberger eine Parzelle in der gewünschten Gegend vorschlagen.

«Das Grundstück war bereits bebaut und der Besitzer wollte einen Teil seines grossen Gartens abgeben», erzählt Thomas Endres, «deshalb war der Zuschnitt etwas schwierig». Die terrassierte Parzelle lag am Ende einer kleinen Wohnstrasse am Hang in einem Quartier, das in den 1970er-Jahren erschlossen wurde. Im Südosten begrenzt von einer ruhigen Strasse und einem Bachlauf, lagen an der Nordseite ein Waldgrundstück und an der Ostseite das Haus des vorherigen Besitzers. Es bedurfte einer gewissen Kreativität, sich hier ein Eigenheim vorzustellen. Oder wie Steffen Jesberger treffend formuliert: «Es war ein Grundstück, dessen Schönheit sich erst auf den zweiten Blick erschloss.»

Die junge Familie vertraute den Architekten und liess sich auf das Vorhaben ein. Die Architekten hatten bereits geprüft, wie weit man neben dem bestehenden Gebäude sinnvoll einen Neubau platzieren kann. «Doch es war nicht einfach, das Haus passend auszurichten», erinnert sich Steffen Jesberger. «Wie sollte man es am besten orientieren? Die Längsseite zum Wald hin erwies sich als schwierig. Und die Südseite mit der besten Aussicht war relativ schmal.» Die Lösung war ein zweigeschossiger Baukörper in Sichtbetonbauweise, der sich entlang der Grundstücksgrenzen staffelt und sich durch mehrere Rücksprünge im Grundriss und in der Fassade mit der relativ steilen Umgebung der Parzelle verzahnt. Für den Nachbarn und Grundstücksbesitzer wurde eine Art Hofsituation kreiert, um die Schnittstellen so gering wie möglich zu halten. Beide Häuser besitzen einen eigenen Aussenraum ohne Querbezüge zum Nachbargrundstück.

«Die Entwurfsphase war vergleichsweise kurz», sagt Steffen Jesberger. Zum einen, weil die topografische Situation viel vorgab. Aber auch, weil den Architekten eine gewisse Logik und Einfachheit des Gebäudes wichtig war. Diese hat sich ausgezahlt und die Bauherrschaft schnell für das Projekt begeistert. Generell hatte das Paar nur wenige Vorgaben gemacht. Drei gleichwertige Kinderzimmer und ein Atelier mit separatem Eingang zählten dazu. Deshalb liegt der Haupteingang auch nicht direkt an der Erschliessungsstrasse, sondern an der Westseite des Hauses. Im Norden ist der Nebeneingang ins Atelier verortet. Die Bauherrin ist Floristin, gibt Kurse und es war ihr wichtig, dass die KursteilnehmerInnen das Atelier betreten können, ohne die privaten Räume durchqueren zu müssen.

Der Haupteingang führt direkt auf die Treppe des zweistöckigen Gebäudes zu, die hier als Gelenk zwischen drei Gebäudeeinheiten fungiert, welche die Architekten mit Wohn-, Atelierund Garagenflügel benennen. «Das Haus besitzt einen relativ grossen Fussabdruck», so Steffen Jesberger. «Es kommt fast wie ein Bungalow daher.» Die beiden Geschosse haben eine gewisse Grosszügigkeit und könnten auch separat funktionieren. Wegen dieser Grosszügigkeit in der Fläche verzichteten die Architekten auch auf ein Attikageschoss und brachten das Raumprogramm auf zwei Ebenen unter. Die Schlafräume der Familie befinden sich im Erdgeschoss, während sich das Kleinteilige im Obergeschoss auflöst und in einen luftigen, offenen Wohn- und Küchenbereich übergeht.

Zu den Besonderheiten zählen die bodentiefen, schwellen- und rahmenlosen Fenster, dank derer man sich inmitten der grünen Baumkronen wähnt. Der alte Baumbestand des ehemaligen Gartengrundstücks und die Nähe zum Wald verleihen dem Bau eine Qualität, die auch die Bewohner zu schätzen wissen. «Wenn wir uns im Sommer im Obergeschoss aufhalten», so die Bauherrin, «sind wir fünf Meter über dem Strassenniveau und doch mitten im Grünen. Dann haben wir keine Nachbarn.» Die Bedenken, die ihr Mann zu Beginn wegen der grosszügigen Verglasung hatte, sind verschwunden – die vorsorglich angebrachten Vorhangschienen sind nach dem ersten Jahr im neuen Heim noch immer leer. Die grüne Umgebung schafft einen geschützten Bereich und bildet eine Art Hintergrund. «Bei Neubauten muss die Umgebung oft noch wachsen», sagt Thomas Endres, «hier sorgte sie bereits von Anfang an für spannende Bezüge. Der Wald ist nicht völlig dicht, bietet Durchblicke und hat eine Tiefenwirkung, wie sie für einen englischen Landschaftsgarten typisch ist. Manchmal sieht man sogar die Rehe äsen.»

Als Floristin hat die Bauherrin ein Flair fürs Interieur. Ihre Passion für die Natur findet sich auch in der Einrichtung wieder. Selbst die Accessoires im Bad sind sorgfältig arrangiert. Das Tannengrün des Ecksofas gefiel ihr so gut, dass sie auch einzelne Wände in den Badezimmern damit streichen liess und für die Kücheninsel wählte sie einen mineralischen Werkstoff, der die Oberfläche von Stein imitiert. In der Dusche neben dem Atelier wird man von einer Zwitscherbox begrüsst.

An der Gestaltung der Kinderzimmer im Erdgeschoss spürt man: Das Haus lebt und ist kein Ausstellungsstück, sondern das Zuhause einer fünfköpfigen Familie mit kleinen Kindern. Jedes Zimmer besitzt individuell für die Kinder gestaltete Stauraummöbel und eine kindgerechte Tapetenwand. Und alle drei Kinderzimmer haben einen separaten Zugang zur Terrasse und zum Pool. Letzterer liegt teilweise unter der Loggia und wird vom Haus überkragt. Den Pool so nah ans Haus zu stellen, ja zum Teil des Gebäudearrangements zu machen, war auch für die Architekten neu. «Wir wollten einen Bezug zum Gebäude herstellen», erklärt Steffen Jesberger. «An anderer Stelle, beispielsweise an der Grundstücksgrenze zur Strasse hin, wäre das nicht so einfach möglich gewesen. Ausserdem sollte der Pool nicht direkt neben dem des Nachbarn liegen.»

Der Vorteil: So könne die Natur ungetrimmt bis ans Haus heranwachsen, während man bei einem Pool, der weiter weg liegt, immer das Gefühl hätte, den kompletten Garten gestalten zu müssen, damit alles ordentlich wirkt.» Obwohl das Haus inmitten eines Quartiers steht, wirkt es wie ein alleinstehender Bau und ist ein vorbildliches Beispiel für die Verdichtung bestehender Bauzonen. Das hat bereits für positive Aufmerksamkeit in der Gemeinde gesorgt. Und der ehemalige Besitzer des Grundstücks freut sich, nun auf das «schönste Haus im ganzen Quartier» zu blicken.