März 2025
Referenz
Dieses Haus ist nicht leicht zu beschreiben, denn es sprengt die Grenzen des in der Schweiz Vorstellbaren: Wo hierzulande könnte man ein relativ ebenes, 17 000 m2 grosses Grundstück mit alten Bäumen kaufen, um darauf zu bauen? In Flandern war das möglich und die Bauherrschaft nutzte die Gunst von Ort und Stunde. Reichlich Erfahrung mit dem Bauen im In- und Ausland hatte man bereits in vielerlei Hinsicht. Das Projekt in die Hände von SAOTA zu geben, schien nach guten Erfahrungen bei einer Zusammenarbeit auf Mallorca nur folgerichtig. Die südafrikanischen ArchitektInnen, bekannt für ihre skulpturalen Villen, sollten nun in Belgien Massstäbe setzen. SAOTA betreibt keine Niederlassungen und kooperiert für die Ausführung jeweils mit lokalen Architekturbüros. So war es der Architekt Philip Olmesdahl, der das Projekt vom Kapstädter Architekturbüro aus verantwortete: «Dass wir solch ein grosses Terrain mit einem so wunderbaren, gewachsenen Baumbestand beplanen durften – das war und ist auch für uns wirklich ungewöhnlich.» Er und sein Team erkannten die Verantwortung, die dieses ganz besondere Grundstück mit sich brachte: «Wir wollten das Haus eher kompakt gestalten, um es möglichst harmonisch in die Umgebung einzubetten.»
Dabei verblüffte selbst SAOTA die schiere Dimension des Projekts. «Das Haus sollte in jedem Falle mit der Natur verbunden sein. Deshalb haben wir es als eine Art kompaktes Objekt in der Landschaft konzipiert.» Und wirklich erinnert die Architektur an klassische Vorbilder der Midcentury-Architektur – man denke an die Ikonen von Richard Neutra, Mies van der Rohe oder Craig Ellwood – und entwickelt sie weiter. Das ist auch dem Briefing der Bauherrschaft zu verdanken, was selbst aus Olmesdahls Sicht etwas Besonderes hatte: «Der Bauherrschaft war sehr wichtig, dass ihr neues Zuhause grosszügig, luftig und reduziert wirkt, aber doch auch warm und behaglich», erinnert er sich. «Man muss dafür im Hinterkopf haben, dass Herbst und Winter in Belgien sehr ungemütlich sein können – und dass das Haus auch dann zur Stimmung passen sollte.» Um diesem Anspruch gerecht zu werden, variierten die Architekten geschickt die Raumhöhen und -proportionen.
Einige Bereiche, wie die Küche, wurden bewusst niedriger und intimer gestaltet, um im Herbst und Winter als gemütlicher Rückzugsort zu dienen. In diesen Wochen und Monaten dürften es auch vorrangig die kleineren Lounges im Obergeschoss sein, wo man Stunden mit Freunden oder den erwachsenen Kindern verbringt. Oder vielleicht das Untergeschoss mit Heimkino und Weinkeller.
Seine ganze Schönheit entfaltet dieses Anwesen allerdings erst in der warmen Jahreszeit. «Wir haben wirklich sehr lange über die verschiedenen Öffnungen nachgedacht», beschreibt der Architekt. Er und sein Team konzipierten viele Aussenwände komplett in Glas. Sie lassen sich mühelos von Hand öffnen, so dass die Innenräume dann schwellenlos ins Aussen übergehen. Damit verschmilzt das Haus nahezu mit dem Park und dem alten Baumbestand. «Uns war ganz wichtig, diese Bäume zu erhalten», erinnert sich Philipp Olmesdahl. «Das Team der Bauprofis kümmerte sich während der gesamten Bauphase durchweg um ihr Wohlergehen.» Ganz besonders im Kopf geblieben ist dem Architekten dabei auch die Zusammenarbeit mit dem lokalen Projektleiter Hadewijch Geuskens von Apart Architects.
Die Bäume schirmen das Grundstück zur Umgebung hin perfekt ab – und damit auch den Pool, der im Sommer der schönste Ort des Hauses sein dürfte. Das Becken verfügt über allerlei technische Raffinessen, darunter einen beweglichen Boden. Die Glasfassaden, die das Becken im Winter in einen Indoor-Pool verwandeln, lassen sich per Touchscreen öffnen und schliessen, das gesamte Haus wird über intelligente Smart-Home-Systeme gesteuert.
Das angrenzende Gartenhaus beherbergt einen Wellnessbereich, ein Gym und das Büro des Bauherrn, welches direkt vom Parkplatz aus erreichbar ist: Man geht schlicht am Koi-Teich entlang und muss das eigentliche Wohnhaus für einen reinen Arbeitsbesuch nicht betreten. Die ArchitektInnen legten ganz besonderen Wert auf die Wahl der Materialien, berichtet Olmesdahl: «Wenn ein Haus Wärme und Reduktion gleichzeitig ausstrahlen soll, kommt es auf die Materialisierung an.» Deshalb entschied man sich für natürliche Materialien wie Stein mit rauer Oberfläche oder Holz. Diese kontrastieren mit Metallverkleidungen am Kamin und an Teilen der Fassade. «Das schafft einen schönen Kontrast», sagt er. Dabei denkt er voraus, wie das Gebäude in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird: «Es soll auf angenehme Art altern und eine Patina entwickeln, die dem Material eine gewisse Tiefe gibt. Wir mögen, wie sich die Beziehung zwischen den Materialien immer weiter Entwickelt.»
Als einen besonderen Geniestreich der Architektur von SAOTA darf man die zentrale Wendeltreppe im Atrium bezeichnen. Ihr Design greift die modernistische Klarheit und Transparenz der gesamten Architektur auf – und geht auf einen expliziten Wunsch und eine konkrete Idee des Bauherrn zurück. Das Geländer aus gehärtetem Glas kommt ohne sichtbare Befestigungen aus. Durch das grosszügige Oberlicht über der Treppe fällt viel Tageslicht ins Atrium. «Aber gleichzeitig haben wir hier eine Hochleistungsverglasung eingesetzt, die die Menge an unangenehmer Sonneneinstrahlung begrenzt». Zusätzlich sorgen die Dachüberstände an den umlaufenden Terrassen dafür, dass die Sonne im Sommer nicht direkt in die Räume scheint – das spart Energie für die Klimatisierung. Ganz allgemein setzt SAOTA bei seinen Projekten sehr stark auf passiven Klimaschutz – also den, den man nicht sieht: «Wir versuchen, rein durch das Design die direkte Sonneneinstrahlung im Sommer weitestgehend draussen zu halten. Im Winter ist es genau anders herum. Dann sollen die Strahlen helfen, Wärme zu gewinnen.»